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1. Mai 2013 – Inhalt
Nach einer Gleisblockade, mit der am 1. Mai 2013 erfolgreich eine Nazi-Kundgebung in Frankfurt verhindert werden konnte, wurden Bußgeldverfahren gegen viele Menschen eingeleitet. Wir dokumentieren auf dieser Seite die EA-Berichte zu den juristischen Folgen dieses Tages und fassen den lezten Stand des Soliplenums der kriminalisierten Personen zusammen:
- Bußgeldverhandlungen nach dem 1. Mai 2013 / Letzter Stand (Dez. 2014)
- „Because we did the right thing“ (Rote Hilfe+EA, Juli 2013)
- EA-Bericht zu den Aktionen am 1. Mai (Mai 2013)
Die Artikel dienen der Nachlese. Bußgeldverfahren und Solibegleitung sind seit Anfang 2015 abgeschlossen.
Bußgeldverhandlungen nach dem 1. Mai 2013
Zusammenfassung und Links (Dezember 2014)
Nach der Gleisblockade vom 1. Mai 2013, mit der erfolgreich eine Nazi-Kundgebung am Ostbahnhof verhindert werden konnte, wurden gegen viele Menschen Bußgeldverfahren eingeleitet. Im August 2013 forderte die Bundespolizei zunächst über 1000 Personen unter dem Vorwurf, „unbefugt” die Gleisanlagen „betreten” zu haben, dazu auf, ein „Verwarnungsgeld” in Höhe von 35.- Euro zu zahlen. Ansonsten werde ein Bußgeldbescheid gegen sie verhängt. Da sich dennoch viele Menschen weigerten, für eine legitime antifaschistische Aktion Geld zu zahlen und gegen die Bußgeldbescheide Einspruch eingelegt haben, stehen nun bis zu 100 Personen zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 Bußgeldverhandlungen vor dem Amtsgericht Potsdam bevor (Soliplenum: Nazis blockieren? Na klar!).
Das Amtsgericht Potsdam ist für die Verfahren zuständig, weil seit einigen Jahren alle Ordnungswidrigkeiten, die bundesweit im Zusammenhang mit Gleisanlagen stehen, zentral in Potsdam, dem Sitz der Bundespolizei, verhandelt werden. Dies gilt absurderweise auch für die Blockade vom 1. Mai 2013 in Frankfurt (ND v. 18.3.13).
Die ersten Verhandlungen vor dem Amtsgericht Potsdam, die im September und Oktober gegen Aktivist*innen stattgefunden haben, endeten vielversprechend: Die Verfahren wurden in der Hauptverhandlung eingestellt. Nachdem bereits zuvor vier Bußgeldverfahren gegen unter 21-jährige Personen, die aufgrund des Wohnortprinzips in Frankfurt und Offenbach verhandelt wurden, eingestellt wurden, hoffen wir nun, dass auch alle anderen Verfahren, die noch ausstehen, mit Einstellungen enden (Soliplenum v. 24.9. – Soliplenum v. 9.9. – FR v. 14.8.).
Update: Das Soliplenum, das die Rechtsverfahren nach dem 1. Mai seit über einem Jahr begleitet, hat beschlossen, alle Personen, die zu ihren Prozessen nach Potsdam fahren, finanziell bei ihren Fahrtkosten zu unterstützen und diejenigen, die entschieden haben, das Bußgeld jetzt zu zahlen, es aber nur schwer aufbringen können, ebenfalls mit Soligeld zu supporten (Beschluss vom 26.9.).
Weitere Informationen zum Soliplenum gibt es auf dessen Weblog unter:
http://plenum1mai.blogsport.de/
(Stand: Dezember 2014)
„Because we did the right thing”
Gegen die Kriminalisierung von Antifaschist_Innen! / Tipps und Newsletter zum Umgang mit Bußgeld- und Strafverfahren nach der Schienenblockade am 1. Mai
Am 1. Mai 2013 konnte in Frankfurt durch ein breites Blockadekonzept die geplante NPD-Kundgebung verhindert werden. Tausende Antifaschist_innen blockierten den Ostbahnhof, die Hanauer Landstraße und die Gleise und verhinderten dadurch das Ankommen der Nazis. Bei der Auflösung der Gleisblockade ging die Polizei gewalttätig gegen die Demonstrant_innen vor und nahm mindestens 20 Personen fest. Dabei wurden viele verletzt, vier mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Außerdem müssen hunderte Blockierer_innen, die am Kessel kontrolliert oder festgenommen wurden, in den nächsten Monaten mit Bußgeld- oder Strafverfahren rechnen.
Aber entschlossener Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern notwendig. Egal von welcher Art der Repression die Antifaschist_innen betroffen sind, gilt es einen solidarischen Umgang zu finden. Nachdem wir gemeinsam und entschlossen die Nazis am 1. Mai blockiert haben, finden wir es wichtig, nun auch gemeinsam mit den staatlichen Konsequenzen umzugehen – sowohl politisch als auch finanziell!
Wir bitten nach wie vor alle Personen, die im Gleiskessel festgenommen oder kontrolliert wurden, Gedächtnisprotokolle zu schreiben und diese sicher zu verwahren. Solltet ihr Post von den Ordnungsbehörden – z.B. Vorladungen oder Bußgeldbescheide – bekommen, meldet euch bitte beim EA Frankfurtoder der Roten Hilfe Frankfurt.
Was tun bei einem Bußgeldverfahren?
Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Großteil der Blockierer_innen, die am 1. Mai kontrolliert worden sind, nicht strafrechtlich belangt wird, sondern ihm ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen „unerlaubten Betretens von Bahngleisen” nach der „Eisenbahnbetriebsordnung” (EBO) bevorsteht. Wenn ihr aus diesem Grund ein Anhörungsschreiben von den Ordnungsbehörden erhaltet, raten wir euch, euch nicht zu äußern. Sobald ihr einen Bußgeldbescheid erhaltet – ihr also eine „Strafe” auf Grund der Schienenblockade zahlen sollt – solltet ihr innerhalb der vorgegebenen Frist von zwei Wochen formlos und unbegründet Einspruch einlegen. Bei einem fristgerechten Einspruch kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, bei der der Bußgeldbescheid überprüft wird. Wir haben in Frankfurt dabei die Erfahrung gemacht, dass Bußgelder im Rahmen von Verhandlungen entweder reduziert oder die Verfahren sogar ganz eingestellt worden sind. Die Chancen für eine Einstellung schätzen wir insbesondere bei Massenverfahren, bei denen viele Menschen kollektiv Einspruch einlegen, als ziemlich hoch ein.
Was tun bei einem Strafverfahren?
Da die Polizei einigen Leuten schon am 1. Mai angekündigt hat, Strafverfahren wegen „gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr” einzuleiten, könnte es auch zu vereinzelten strafrechtlichen Vorladungen durch die Polizei kommen. Wir raten allen, diesen Vorladungen nicht nachzukommen und keine Aussagen bei den Ermittlungsbehörden zu machen. Aussagen werden grundsätzlich gegen euch und andere verwendet. Stattdessen sollten sich alle, die eine Vorladung erhalten, bei den bekannten Antirepressionsstrukturen melden, damit wir euch solidarische Anwält_innen vermitteln können und/oder Akteneinsicht beantragt werden kann.
Tragt euch in den Newsletter ein!
Um alle Leute, die im Kessel waren, auch in den nächsten Monaten über die 1. Mai-Verfahren auf dem Laufenden zu halten, haben wir einen Newslettereingerichtet, auf dem sich alle, die informiert werden wollen mit einer E-Mailadresse eintragen können. Sobald wir als Rechtshilfegruppen von Bußgeldbescheiden oder polizeilichen Vorladungen erfahren, geben wir diese Infos dann an euch weiter. Wir würden euch empfehlen, euch möglichst mit neuen Alias-E-Mailadressen einzutragen, mit denen ihr keine persönlichen Daten preisgeben müsst und die ihr bei Bedarf auch wieder löschen könnt.
Auf den Newsletter eintragen könnt ihr euch auf
lists.linksnavigator.de/cgi-bin/mailman/listinfo/1mai13rep (nicht mehr aktuell)
Rote Hilfe Ortsgruppe Frankfurt,
Ermittlungsausschuss Frankfurt
Juli 2013
EA-Bilanz zum 1. Mai 2013
Ausführlicher Bericht und Stellungnahme (Mai 2013)
Die Polizei hat bei der Veröffentlichung ihrer Bilanz der Proteste vom 1.5.13 die Formulierungen gebraucht, die Veranstaltungen seien „weitestgehend ohne große Zwischenfälle“ und „verhältnismäßig friedlich“ verlaufen.
Wie wir bereits in unserem vorläufigen Bericht erklärt haben, halten wir diese Aussagen angesichts der Brutalität der Polizeimaßnahmen gegen viele Antifaschist*innen für mehr als zynisch. Mit ihrer geschönten Darstellung versucht die Polizei von der Absurdität ihres Großeinsatzes und den polizeilichen Übergriffen gegen Gruppen von Blockadeteilnehmer*innen abzulenken.
In Kürze zu den Einzelheiten:
- Bereits die Art und Weise der Absperrungen an der Hanauer Landstraße hat deutlich gemacht, dass die Polizei Verletzungen von Demonstrant*innen in Kauf genommen hat. Dort war Natodraht ohne jegliche Sicherung angebracht, der schwere Schnittverletzungen verursachen kann – und auch verursacht hat. In mehreren Fällen mussten deshalb Menschen mit Schnittwunden von Sanitäter*innen behandelt werden.
- Es ist nicht zutreffend, dass die Räumung der Gleise „mit Bedacht” durchgeführt wurde, wie ein Polizeisprecher in der Hessenschau erklärte. Zu der Räumung wurden Beamt*innen aus Baden-Württemberg eingesetzt, die bereits früher wegen ihrer extrem brutalen Vorgehensweise bei Räumungen in der Kritik standen. Auch am 01.05. wurde diese Polizeieinheit ihrem Ruf gerecht. Gerade hier wurden viele Blockadeteilnehmer*innen bewusst schmerzhaft behandelt und verletzt.
- Das systematische Abfilmen der Personen, die von den Gleisen gezogen wurden, wäre rechtlich völlig überflüssig gewesen, weil es sich beim Betreten von Gleisen nicht um eine Straftat, sondern lediglich um eine Ordnungswidrigkeit (wie etwa Falschparken) handelt. Dies weiß auch die Polizei, die in diesem Zusammenhang öffentlich nur von „stichprobenartigen Kontrollen” gesprochen hat. Oder in den Worten eines Einsatzführers gegenüber dem EA Frankfurt: „Das ist hier doch eigentlich Pille-Palle”. Tatsächlich wurden die so gewonnenen Personenbilder von polizeilichen Spezialeinheiten nach Ende der Veranstaltungen dazu genutzt, gezielt Personen abzufangen und in Gewahrsam zu nehmen.
- Ebenfalls ist es nicht zutreffend, wenn die Polizei angibt, die Gleisbesetzer*innen seien alle mit Platzverweisen freigelassen worden. Vielmehr ging die Polizei gegen eine Gruppe von Blockadeteilnehmer*innen massiv mit Schlagstöcken und Pfefferspray vor, separierte sie vom restlichen Kessel und nahm allein hier nach unseren Kenntnissen etwa 20 Personen fest. Dabei wurden zahlreiche Menschen teils so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Dass die Polizei in diesem Zusammenhang auch vor Ort hat verlauten lassen, alle Gleisblockierer*innen würden mit Platzverweisen entlassen, ist eine gezielte Desinformation durch die Einsatzleitung dieses Tages.
- Einen weiteren Höhepunkt der Polizeirepression stellten die anschließenden Übergriffe am Danziger Platz dar, als Antifaschist*Innen der „orangefarbenen” Blockade auf die Ostparkstraße zu gelangen versuchten. Hier setzte die Polizei aus kürzester Distanz Pfefferspray gegen die Demonstrant*innen ein, wovon auch eine große Zahl von Jugendlichen betroffen war. Wenn Pfefferspray aus direkter Nähe gegen Personen eingesetzt wird, kann dies zu Ohnmacht, Panikattacken und schweren Augenverletzungen führen. Wer auf diese Weise gegen Personen vorgeht, geht weder „bedacht”, noch „verhältnismäßig friedlich” vor, sondern rechnet bewusst mit körperlichen Schädigungen auf Seiten von Antifaschist*innen.
All diese Beispiele zeigen, mit welcher Brutalität die Staatsmacht trotz gegenteilig lautender Bekundungen am 1. Mai gegen Antifaschist*innen vorgegangen ist, die sich mit Entschlossenheit der geplanten Nazi-Demonstration in Frankfurt entgegen gestellt haben. Dieses Vorgehen war offenbar die Rechtfertigung einer überdimensionierten Demonstration militärischer Stärke der Polizei an diesem Tag. So waren die Gewaltanwendungen im Gleiskessel und auf dem Danziger Platz unserer Einschätzung nach nicht die einzigen polizeilichen Übergriffe. Die insgesamt 78 Verletzten, die allein von Demosanis behandelt wurden, und die Tatsache, dass mehrere Personen mit schwereren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden mussten, sprechen diesbezüglich eine eigene Sprache.
Dass es der Polizei mit ihrem Auftritt am 1. Mai auch um eine staatliche Machtdemonstration ging, wurde spätestens deutlich, als den Blockierer*innen am Blockadepunkt Hanauer Landstraße neben einem Großaufgebot von Polizeibeamt*innen noch zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer gegenüber gestellt wurden. Wir denken, dass solche Inszenierungen polizeilicher Macht vor allem zur Einschüchterung von Menschen dienen, die im Kampf gegen Nazis nicht auf staatliche Behörden vertrauen, sondern bereit sind, sich den Nazis mit allen dafür notwendigen Mitteln selbst in den Weg zu stellen.
Wir begrüßen es, dass sich tausende von Menschen trotz dieser Repressalien an den Protesten gegen die Nazi-Kundgebung beteiligt haben.
Demonstrationsfreiheit verteidigen!
EA Frankfurt, 6.5.2013
Links zur Auswertung des 1. Mai 2013:
Pressemitteilung des Antifaschistischen Ratschlags zum 1. Mai